Der Chemiepark der Zukunft – Ein Teil der Lösung
Veröffentlichung in "ChemCologne compact" Ausgabe 2/2024
Chemieparks in Deutschland haben mittlerweile eine längere Tradition. Entstanden sind sie aus dem Portfolio Management beginnend in den 1990er Jahren, als etablierte Chemie-Konzerne sich von einigen Geschäften trennten. Somit wurden aus traditionellen Werken Industrieparks. Eine Art „Vielvölker-Staat“ entstand, in dem nun eine Gemeinschaft organisiert werden musste. Den Chemiepark betreibt entweder der produzierende „Platzhirsch“ oder eine extra hierfür ins Leben gerufene Standortgesellschaft.
Aber wie sieht nun der Chemiepark der Zukunft aus?„Transformation“ ist in aller Munde. Aber was transformiert sich hier eigentlich? Um einen ersten Griff an diese Fragestellung zu bekommen, sollte klar festgehalten werden, dass Chemieparks in Deutschland bereits seit ihrer Gründung eine sehr lange Transformation hinter sich gebracht haben. So mussten anfänglich ehemalige Mitarbeitende desselben WerksKonzerns lernen, in nun unterschiedlichen Unternehmen „wie unter Dritten“ miteinander zusammenzuarbeiten. Aus vorherigen Kollegen und Kolleginnen wurden Geschäftspartner mit nun auch unterschiedlichen Geschäfts-Philosophien. Aus vormaligen Verbundstrukturen wurden aufeinander folgende Wertschöpfungsstufen – nun dargestellt von durchaus auch konkurrierenden Chemie-Unternehmen. Hauptanker dieser Transformation war die Notwendigkeit, entstandene unterschiedliche Interessenlagen auszubalancieren, aber auch gleiche Interessenlagen wieder zu bündeln – ein insgesamt langwieriger und auch kräftezehrender Weg.
Und nun, wo logistische Strukturen ausgefeilt, energetische Versorgung und auch die meisten anderen Standortdienste optimiert sind – manchmal auch mit Hilfe von externen Partnern – steht die nächste Transformation an. Bislang wurde der Umweltschutz durch hohe Standards und den Einsatz moderner Technologien gewährleistet. Jetzt zwingt der Klimaschutz zu weiterer Entwicklung. Aber auch der immer sorgsamere Umgang mit Ressourcen erfordert ein Umdenken. Nach einer ersten Transformation steht nun eine Transformation zu mehr Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit an. Damit müssen etablierte Prozesse neu gedacht werden.
Im Chemiepark Lülsdorf ist die Situation eine andere. Bis zum vergangenen Jahr war dieser Standort ein klassisches Werk der Evonik. Nach Übernahme entschied die International Chemical Investors Group (ICIG) den Standort für andere ChemieInvestoren zu öffnen und durch Ansiedlung weiterer chemischer Betriebe in einen Chemiepark umzubauen. Michael Rötepohl, Site Development (ICIG) im Chemiepark Lülsdorf, sieht hierfür sehr gute Perspektiven: „Es ergibt sich hier die einmalige Chance, beide Transformationen gleichzeitig durchzuführen, woraus entscheidende Vorteile in der Umsetzungsgeschwindigkeit resultieren.“
Externe Investoren akquirieren
Mit der Öffnung zum Chemiepark Lülsdorf wurde ein Team zur Standort-Entwicklung etabliert, das den Akquisitions-Prozess externer Investoren steuert. Rötepohl: „Der Chemiepark übernimmt hierbei eine neue, zusätzliche Rolle: Die Unterstützung, vorausschauend, zukunftssicher und wirtschaftlich sinnvoll die bevorstehende Transformation zu Nachhaltigkeit und Defossilisierung mitzudenken.“ Dies geht nur in einem partnerschaftlichen Verhältnis und meistens mit einer Zielvision, die, so Rötepohl, nur in Etappen erreicht werden kann. Mit der zweiten Transformation wird sich auch die Rolle der Chemieparks erweitern. Einbindung von Abwärme in lokale Fernwärmenetze, Strukturen zur Anbindung an CCSSysteme, Auf und Ausbau von Wasserstoffnetzen; all dies sind Fragen, auf die die Chemieparks Antworten finden müssen. Damit werden Produzenten, die als Neben oder gar Abfall Produkt Energie erzeugen und Lösungen zur Wärmeintegration ermöglichen, immer attraktiver. Das Einbetten von Recycling-Unternehmen scheint obligatorisch, muss aber nicht notwendigerweise vor Ort passieren. Für die Chemieparks birgt die Transforma tion zu Nachhaltigkeit und Defossilisierung zudem die Chance, neue Ansiedlungen zu gewinnen. Investitionen in Nachhaltigkeits projekte sind oftmals die, die in der reifen chemischen Industrie in Deutschland nach neuen Standorten suchen. Für diese Investoren sind oft kleinere Chemieparks attraktiv, da diese flexibler und schneller auf individuelle Bedürfnisse eingehen können.
Rötepohl abschließend: „Letztlich werden Chemieparks auch aufgefordert sein, zur Energiewende allgemein beizutragen. Das können sie beispielsweise durch Flächenbereitstellung für Stromspeicher oder Dachflächen für Solar-Panels. So haben Chemieparks die Chance, ‚Teil einer Lösung‘ zu werden.“