Neuer Eigentümer ICIG will dreistellige Millionensumme investieren
Veröffentlichung "Bonner General-Anzeiger":
Pläne für Chemiestandort in Niederkassel-Lülsdorf
Von Ulla Thiede
Der neue Eigner des früheren Chemiestandortes von Evonik in Niederkassel-Lülsdorf hat am Donnerstag seine Ausbaupläne der Öffentlichkeit vorgestellt. Die beiden Geschäftsführer Rafael Reiser und Dirk Röttger kündigten die Gründung eines Chemieparks an, in dem sich weitere Unternehmen vornehmlich aus der Branche ansiedeln sollen. Es sollen Firmen sein, die die vorhandene Infrastruktur wie den Schiffsanleger, die Schienenanbindung und die diversen Pipelines nutzen wollen, erklärte Röttger. Solche Unternehmen würden dann auch Arbeitsplätze schaffen, von denen Menschen leben können, erklärte Reiser.
Die International Chemical Investors Group (ICIG), die den Standort 2023 vom Evonikkonzern übernommen hatte, will den Angaben zufolge in den nächsten Jahren Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe tätigen. Die ICIG ist eine Gesellschaft nach europäischem Recht mit Sitz in Frankfurt und Luxemburg. Sie wurde 2004 von einem privaten Investor gegründet, der selbst aus der Chemiebranche kommt, wie Reiser berichtete. Die Gruppe machte zuletzt einen Jahresumsatz von 4,5 Milliarden Euro und beschäftigt an 42 Standorten in Europa und den USA rund 6200 Personen.
Reiser sagte, man wisse, dass Unternehmen, die andere Firmen kauften, einen schlechten Ruf hätten. Die ICIG sei aber keine „Heuschrecke“, man wolle langfristig investieren und nicht nach kurzer Zeit schon wieder verkaufen. Das Konzept bestehe in der Übernahme von Standorten mit Konsolidierungsbedarf, die auf die Zukunft ausgerichtet werden sollen. „Der Fokus von ICIG liegt auf Deutschland, wir agieren anti-zyklisch, indem wir Chemiestandorte kaufen, aus denen sich die Eigner zurückziehen wollen.“
Flache Hierarchien
Anders als bei einem Konzern mit vielen Hierarchien wie Evonik biete ICIG den Vorteil, dass die Geschäftsführer der einzelnen Standorte direkt an den Eigentümer berichteten, erklärte Reiser. Entscheidungen etwa über Investitionen und Absprachen könnten sehr viel schneller getroffen werden als in einem Konzern. Reiser betonte, dass der Eigentümer nicht an der Börse notiert und „kapitalstark“ sei.
Am Chemiestandort sind derzeit 530 Mitarbeiter beschäftigt, darunter 30 Auszubildende. Für die Beschäftigten gibt es einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bis 2032. In Lülsdorf werden vornehmlich per Elektrolyse sogenannte Alkoholate produziert, die als Katalysatoren bei der Herstellung von Biodiesel, Omega-3-Nahrungsergänzungsmitteln oder Arzneien dienen. Die Genehmigung für die Chlor-Alkali-Elektrolyse, bei der Quecksilber verwendet wird, läuft 2027 aus, dafür muss nun in eine alternative Technologie investiert werden. Die Entscheidung solle 2025 fallen, hieß es. Welche Lösung gefunden werde, hänge auch vom Strompreis ab, erklärte Co-Geschäftsführer Röttger, der selbst von Evonik kommt.
Anschluss an Wasserstoff-Kernnetz geplant
Auf dem Gelände des Werks gibt es große, heute noch landwirtschaftlich genutzte Flächen, auf denen dann die neuen Unternehmen angesiedelt werden sollen. Dafür haben Reiser und Röttger den Unternehmensberater Michael Rötepohl engagiert, der sich mit der Einrichtung von Chemieparks auskennt. Bis Ende des Jahres soll eine erste Neuansiedlung feststehen. „Ich bin absolut zuversichtlich für Lülsdorf“, sagte Röttger. Neben den schon vorhandenen Pipelines soll es künftig auch einen Anschluss zum Wasserstoff-Kernnetz geben, das jüngst für die Bundesrepublik beschlossen wurde.
An die Produktion von Wind- und Solarstrom auf den heutigen Agrarflächen ist laut Geschäftsführung nicht gedacht. Die riesigen Strommengen, die man selbst benötige, könnten dadurch nicht erzeugt werden. Einstige Pläne, Logistiker anzusiedeln und den Schiffsanleger zu einem Tri-Modal-Terminal auszubauen, erteilten Reiser und Röttger eine Absage. Aber die auf Erdöl basierende Chemieindustrie muss ihren CO2-Ausstoß senken. Chemisches Recycling sei dabei der aussichtsreichste Weg, erklärte Röttger. Ansonsten müsste CO2 unterirdisch verpresst oder zu neuen Produkten verarbeitet werden. Letzteres benötige wiederum sehr viel Strom.
Stromkosten: Forderung: Preis für die Industrie halbieren
Der Chemiepark Lülsdorf verbraucht jährlich 200 Millionen Kilowattstunden (kWh), das entspreche dem Verbrauch einer Stadt von der Größe Koblenz, berichtete Geschäftsführer Rafael Reiser. Bei einem Preisanstieg um einen Cent pro kWh bedeute das Mehrkosten von zwei Millionen Euro. In Frankreich koste die Kilowattstunde nur zehn Cent, deutsche Unternehmen zahlten zwischen 17,6 und 21 Cent. Reiser: „Wir brauchen eine Halbierung.“ ut